Die Corona-Pandemie – Ansichten, Verständnis und Erwartungen eines 70-jährigen

Jeder Lebensabschnitt eines Menschen hat eine eigene Charakteristik. Darin bewegt er sich mit unterschiedlichen Herausforderungen, in eigener Weise und auch fortschreitend mit der eigenen Lebenserfahrung.

Zuerst ist es die frühe Kindheit als Kleinkind im Elternhaus, der Kindergarten mit ersten umfangreichen Sozialkontakten zu Gleichaltrigen, die Schulzeit in der eine umfassende Bildung im Vordergrund steht, die Berufsausbildung oder ein Studium als Grundlage für die spätere langjährige Erwerbstätigkeit und anschließend der Ruhestand als Rentner.
All diese Abschnitte sind nach meiner Auffassung wichtig und vor allem als gleichwichtig zu betrachten, weil jeder Mensch früher oder später diese Lebensstationen mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchläuft, so auch das Alter. Und jeder wählt eigene Aktivitäten und Ziele, die seinem Leben Sinn und Inhalt geben.

In Krisenzeiten, wie es auch die Corona-Pandemie ist, erfolgt eine Zuspitzung des Konflikt- und Interessenpotentials, so wie wir es nun schon über ein Jahr erleben.
Einerseits gab es anfänglich ein unzureichendes Wissen über das Virus und andererseits die Erwartung an den Staat, seine Bürger mit hoher Professionalität weitestgehend mit allen gebotenen Möglichkeiten zu schützen und diese Verantwortung auch umfassend wahrzunehmen.

JEDER müsste sich dabei in notwendiger Weise verhalten und handeln.

Doch hier gibt es erhebliche Defizite bei zu Vielen, die Hygieneschutzmaßnahmen und Masken ignorieren und die Existenz von Covid-19 und seiner Mutanten leugnen. Querdenker, Reichsbürger, Montagsspaziergänger und Rechte versuchen in der Pandemie immer wieder, dauerhaft für ihre Ziele zu politisieren und Menschen an ihr Lager zu binden. Verfälschungen wie „Frieden, Freiheit – keine Diktatur“, unzutreffende Vergleiche zu der 89er Bürgerbewegung und Aussagen über grundsätzlich dauerhaft angestrebte Grundrechteeinschränkungen sind ihre schleimigen Argumente.

Bei allem Verständnis für die hohen Herausforderungen bei der Bekämpfung einer solchen Pandemie: die Bundesregierung, Ministerien und Verwaltungsstrukturen liefern nun schon über lange Zeit ein Bild partiellen Versagens. Auch unsere Bundespartei muss in Berlin hörbarer werden und gestalterischen Einfluss erzwingen, das vermisse ich.
Anfänglicher Maskenmangel, ungenügende vertragliche Sicherung und Bereitstellung entwickelter Impfstoffe, mehrfach wechselnde Einschätzung oder die Impfsperre von AstraZeneca beweisen dies. So sind auch die schamlosen Bereicherungen von CDU/CSU-Politikern in ihrer Wahlfunktion als Volksvertreter einzuordnen.

Auf das letzte Jahr zurückblickend stellt sich bei mir ein ständig wachsendes Gefühl der Zermürbung und persönlicher Unzufriedenheit ein.

Das resultiert auch aus der zerstrittenen Bewertung und den Folgerungen aus der aktuellen Corona-Situation auf Bundes- und Landesebene. Jedem sollte klar sein, dass uns Covid-19 und seine Mutanten noch sehr lange Zeit begleiten werden. Was sollen also wiederkehrende Periodisierung und Prognosen, die unerfüllbare Erwartungen hervorrufen und so unweigerlich zu Akzeptanz- und Vertrauensverlust bei den Bürgern führen, auch bei denen, die bereit sind sinnvolle Schutzmaßnahmen und Einschränkungen mitzutragen. Wird so nicht die Bereitschaft gefördert, zum Lager der Verschwörungsideologen und der politischen Gegner zu wechseln?

Meine Erwartung wäre es gewesen, dass es effiziente Handlungspläne für Pandemien gibt, die nur noch auf die konkrete Situation des Virus angepasst werden müssen, aber das scheint unverständlicherweise nicht oder nur in ungenügender Weise der Fall zu sein. Jeder Industriebetrieb verfügt beispielsweise über Havarie-Dokumente und trainiert nichtalltägliche Situationen. Warum sind der Staat, das Gesundheitsministerium und seine zugeordneten Institute dazu nicht umfassend in der Lage?

Mein Eindruck ist, Appelle an Geduld, Vernunft und Disziplin enden gegenwärtig nur noch im politischen Streit und verhallen zum Selbstzweck.
Wie kann es sonst sein, dass der Bundespräsident am Ostersonntag eine als realistisch zu wertende Fernsehansprache zur aktuellen Corona-Pandemie hält und am selben Tag erneut mehr als 10.000 Demonstranten, Querdenker, Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechte unter Missachtung von Versammlungsauflagen und der Schutzverantwortung unbehelligt marschieren und sich versammeln dürfen? Immer wieder hört man danach die gleichen Argumente vom hohen Gut der Versammlungsfreiheit, der Verhältnismäßig, der unterschiedlichen Auffassungen der Behörde und der Polizei, die letztendlich in Duldsamkeit und unterlassener Unterbindung enden. Auch in unserem Landkreis ist das nun schon oftmals so Tradition gewesen. Die ewig gleichen Ankündigungen gegen Versammlungen vorzugehen, die Auflagen nicht einhalten, sind zwischenzeitlich als Lachnummer zu werten.

Menschen meines Alters oder noch im weiter fortgeschritteneren Alter sind in ihrer Lebensweise von Vernunft geprägt und verhalten sich auch so. Ihr eigener Schutz in der Pandemie und der Schutz ihrer Mitmenschen ist ihnen wichtig. Insofern sind sie auch meist einer Impfung gegenüber aufgeschlossen und begrüßen die Priorisierung ihrer Altersgruppen. Ihnen ist sehr wohl bewusst, dass ihr Immunabwehrsystem mit steigendem Alter schwächer wird. Unverständnis äußern sie aber über die Erreichbarkeit und Registrierung für die Impfung. Diese Form ist ihrem Alter und ihren eigenen Möglichkeiten nach nicht angemessen. Ihre zumutbare Mobilität ist beschränkt und sie wissen auch nicht, wie sie zumutbar nach Erfurt, Gera oder zu anderen zugeteilten Impfzentren gelangen können. Das wäre bei der Impfstrategie für ältere Menschen unbedingt zu berücksichtigen gewesen. Die beginnende und viel zu späte Möglichkeit, sich beim Hausarzt impfen zu lassen, wird unverständlicherweise durch die verfügbaren Impfdosen begrenzt und sich über lange Zeit hinziehen. Das ist sofort zu ändern!

Viele leben allein in der eigenen Wohnung. Oftmals sind ihnen soziale Kontakte nun schon über ein Jahr nur begrenzt möglich – für sie ein Jahr besonders bedeutsamer Lebenszeit. Begrenzte Treffen mit Enkeln und Angehörigen, der fehlende Besuch des Donnerstagstreffs oder eines Cafés stellen für sie eine extreme Härte dar. Und sie fragen sich deshalb auch berechtigt, wie es für sie weitergehen soll und sind von dieser Situation psychisch stark belastet. Sie brauchen klare Perspektiven und Hilfe dabei, wie sich ihr Leben in einer möglichen Form normalisieren und wieder lebenswert gestalten lässt.

Was wir älteren Menschen erwarten, sind keine endlosen Ministerpräsidentenkonferenzen, die mit auslegungsfähigen Erklärungen enden und uns von einem Lockdown in den nächsten führen. Das Coronavirus wird uns mit seinen Mutanten auch zukünftig begleiten, deshalb brauchen wir fundierte, lebensnahe und verantwortungsbewusste Konzepte. Dafür ist es endlich Zeit.