Eigentlich hat mir mein Studium immer großen Spaß gemacht. Ich mochte es, mich mit meinen Kommiliton_innen vor dem Seminar auf einen Kaffee am Campus zu treffen, nach dem Seminar gemeinsam über dessen Inhalte zu diskutieren oder mich über Stunden zwischen Bücherregalen in der Bibliothek im Lektürestudium zu vergraben. Ich habe es geliebt, mit den Dozierenden in den Vorlesungen zu diskutieren und mit Freund_innen in die Mensa zu gehen.

Seit dem März letzten Jahres sieht mein Studium anders aus. Die Uni, Bibliotheken und Mensen sind geschlossen. Anstatt mit Kommiliton_innen und Lehrenden in Vorlesungssälen und Seminarräumen gemeinsam kritisch zu diskutieren, höre ich mir jetzt jeden Tag mehrere 90-Minuten-lange Videos an. Austausch oder gar kritische Diskussion – ist komplett weggefallen. Das, was Wissenschaft eigentlich ausmacht, nämlich der fundierte Streit miteinander um das vermeintlich „Richtige“, das gibt es nun nicht mehr. Mein Studium der Politikwissenschaft fühlt sich seit über einem Jahr ganz leer an, wie ausgesaugt. Das stupide Anhören von Videos hat für mich keinen Mehrwert. In den Klausuren wird kein Wissen mehr abgefragt, sondern lediglich die Fähigkeit des Auswendiglernens wird getestet. Ich habe nicht das Gefühl, gerade auch nur irgendetwas zu lernen.

Dazu kommt die Einsamkeit. Bis auf meine WG sehe ich im Alltag niemanden mehr. Es ist so frustrierend, dass mein Umfeld und ich uns seit über einem Jahr an alle Bestimmungen zur Pandemiebekämpfung halten, zugleich aber tausende Coronaleugnende ohne Hygienemaßnahmen und unter gewaltsamem Polizeischutz marschieren können.

Ich fühle mich auch psychisch am Ende. Dazu kommen Unverständnis und Wut. Wütend bin ich vor allem auch, weil Thüringen es erst im vergangenen Monat geschafft hat, die Regelstudienzeit in der Pandemie anzupassen. Über ein Jahr hinweg gab es kaum Entgegenkommen seitens der Universität. Als ob die Krise vor den Studierenden Halt machen würde. Im Gegenteil: viele meiner Freund_innen haben ihre Nebenjobs zur Finanzierung ihres Studium durch die Pandemie verloren. Wenn man nicht weiß, wie man die Miete zahlen soll, wie soll man sich dann auf die nächste Klausur konzentrieren? Ich kenne so viele Studierende aus Jena, die wegen der zu spät kommenden Anpassung der Regelstudienzeit das Bundesland und damit die Uni schon gewechselt haben oder wechseln werden. Auch ich gehöre dazu, denn der Wechselprozess ist eine langwierige Angelegenheit und ihn jetzt zu stoppen, wäre zu spät.

Aber auch außerhalb meines Studiums merke ich die Pandemie. Seit Monaten konnte ich meine krebskranke Oma nicht mehr besuchen, obwohl wir uns sehr nahestehen. Ich habe Angst, sie überhaupt nicht mehr sehen zu können. Ich merke die Pandemie, wenn mein neunjähriger kleiner Bruder erzählt, wie Kinder in seiner Klasse abgehängt werden, weil ihre Eltern ihnen nicht bei den Hausaufgaben helfen können. Ich merke die Pandemie, wenn meine Mutter mir am Telefon erzählt, wie schlimm die Situation in den Krankenhäusern ist. Es macht mich wütend, dass die Bekämpfung der Pandemie und die Bedürfnisse der Menschen immer hinter den Bedürfnissen der Wirtschaft zurückgestellt werden. Die Krise zeigt ganz klar und deutlich, in welch einem kaputten System wir leben. Pflegekräfte merken ihre Systemrelevanz nicht auf dem Gehaltszettel, mit Impfstoffen wird Profit gemacht, Menschen werden zu tausenden auf engem Raum an den Grenzen eingepfercht, während die Hotels zugleich leer stehen. Die Kultur stirbt aus, gleichzeitig werden wieder Billigflüge nach Mallorca angeboten.

Ich hoffe, dass die Pandemie global überwunden werden kann. Und ich hoffe, dass viele Menschen erkennen, dass auch der Kapitalismus Krisen verursacht, welche durch die Pandemie lediglich verschärft und verdeutlicht wurden.