Stadtplanung Rudolstadt - Gedanken zum Stadtentwicklungskonzept Rudolstadt

H.K.

Derzeit wird in Rudolstadt der Entwurf des integrierten Stadtentwicklungskonzepts (ISEK) 2030 beraten. In mehreren öffentlichen Veranstaltungen haben sich Bürgerinnen und Bürger der Stadt in die Diskussion eingebracht. Ich hatte mich als Stadtratsmitglied an den Beratungen beteiligt und vorab dem Rathaus schriftliche Bemerkungen zum Entwurf zugeleitet. Ich gebe einige davon hier wieder:

Der Entwurf der Stadtentwicklungskonzeption stellt in übersichtlicher und umfangreicher Form das bisher Erreichte und sowohl mögliche als auch wünschenswerte Vorhaben der weiteren Entwicklung Rudolstadts dar. Vom Umfang kann man das ISEK getrost als Leitfaden nicht nur bis 2030, sondern sogar bis 2050 ansehen.

Einiges ist ohne große finanzielle Mittel machbar, der übergroße Teil der Projekte bedarf natürlich der entsprechenden Finanzierung. Bei den externen Einflussfaktoren auf den städtischen Haushalt ist der Hinweis auf die Abhängigkeit von Investitions- und Förderprogrammen dabei ausreichend, die Landtagswahlen sollten hier nicht genannt werden. Denn sonst müsste man auch die Bundestagswahlen und die unterlassene Kommunalfinanzierungsreform und sogar die Wahlen in der EU und deren z.T. fragwürdigen marktfetischistischen Gesetze zu Lasten der Kommunen anführen. Der im Papier dargestellte Förderdschungel ist für ehrenamtliche Kommunalpolitiker allerdings eine Zumutung, bezeugt aber vor allem, dass die Entwicklung der Kommunen im Grunde genommen von der Ministerialbürokratie in Bund und Ländern bestimmt wird. Allein die Formulierung „Seit 2008 ist die Dorferneuerung abgeschlossen“ (S.27) drückt aus, wie es aktuell um die Förderung des ländlichen Raums bestellt ist.

Das Konzept enthält eine sehr gute, aussagekräftige Darstellung der funktionalen, baulichen, gestalterischen Defizite und Nutzungskonflikte sowie der Brachflächen in den Stadtteilen Rudolstadts. Hervorgehoben ist die Konzentration der Einzelbrachen im Übergangsbereich der Altstadt zu Rudolstadt-Ost. Auch die Flächenpotentiale für Wohnen und Gewerbe werden im Konzept beleuchtet. Rechnerisch bestehe kein Bedarf für eine bauliche Entwicklung der vorhandenen Wohnbaupotentiale (ca.13 h mit ca. 200WE, ohne Berücksichtigung von Baulücken und sonstigen innerstädtischen Standorten von Privateigentümern). Bei bisher jährlich 40 fertiggestellten WE und der Annahme, dass sich diese Entwicklung so fortsetzt, wird aber geschlussfolgert, dass in 5 Jahren das Baupotential aufgebraucht ist, u.a. deshalb, weil sich Ersatzbauten „nicht immer“ am Abrissstandort realisieren lassen und die Standortwünsche für das Wohnen vielfältiger werden. Daraus wird das Vorhalten zusätzlicher Flächenpotentiale abgeleitet, um bis 2030 kurzfristig verfügbare Wohnraumflächen zur Verfügung stellen zu können (S.37). Das würde aber grundsätzlich eine weitere „Entdichtung“ vorhandener Wohngebiete befördern und den seit 1992 um 20 % angestiegenen Anteil der Siedlungs- und Verkehrsflächen (S.83) weiter erhöhen. Wir haben es hier offensichtlich mit einem Zielkonflikt zu tun, der auch im Punkt 5 (Entwicklungs- und Handlungskonzept) zum Ausdruck kommt. Einerseits ist bei den Entwicklungszielen Stadtstruktur und Flächennutzung von der „Fokussierung der qualitativen Innenentwicklung zur Stärkung einer kompakten Siedlungsstruktur und zum Schutz des Landschaftsraumes“ die Rede (S.98), andererseits wird dann unter den Maßnahmen dazu die „Prüfung und Festlegung potenzieller Wohnstandorte als Reserveflächen für zukünftige Wohnbauflächenbedarfe“ in Aussicht gestellt (S.99).

Zum Radverkehr, Fußgängern und den Autos: Es wirkt nicht nur die AG Radverkehr des Landkreises. Eine kleine Arbeitsgruppe aus Stadtratsmitgliedern hat zuständigen Mitarbeitern der Stadtverwaltung Vorschläge zur Verbesserung der Beschilderung des Saale-Radweges unterbreitet, die teilweise schon umgesetzt oder weiter in Bearbeitung sind. Es liegt in der Verwaltung eine aktuelle Fortschreibung zur Maßnahmerealisierung Radwegekonzept vor, die dem Stadtrat zur Kenntnis gegeben werden sollte. Die letzte dem Stadtrat bekannte ist aus dem Jahr 2015. Das Deckblatt des Konzeptentwurfs stellt gnadenlos dar, wie es vor dem Rathaus nicht aussehen sollte: einen zugeparkten Marktplatz, der den schönen Brunnen nur als Marginalie zu erkennen gibt. Weil das Bild aber zutiefst real und damit ehrlich ist, sollten wir es zur Mahnung als Deckblatt belassen.

Zum Sozialen: Im Konzept sind Aussagen zum Sozialpass zu ergänzen – der wurde völlig vergessen. Der Begriff „Menschen mit Handicap“ sollte im Dokument durchgängig durch „Menschen mit Behinderung“ ersetzt werden. Warum die denglische Wortkombination? Es ist zudem nicht sinnvoll, „Menschen mit Handicap“ als Ersatz für „Menschen mit Behinderung“ zu gebrauchen. Es kann nämlich die Gefahr bestehen, dass das soziale Modell der Behinderung außer Acht gelassen wird. Dieses besagt: eine Person ist nicht nur behindert, sondern wird auch durch Vorurteile, Stufen, fehlende Untertitel usw. behindert. (Quelle: leidmedien.de). Eine große Frage ist, warum weder die mehreren Hundert Flüchtlinge und Asylbewerber noch die ehrenamtliche Initiative „Neue Nachbarn Rudolstadt“ Erwähnung im Papier finden (Andere Ehrenämter werden an verschiedenen Stellen doch auch gebührend gewürdigt.)

Die Ziele und Ergebnisse des Regionalen Entwicklungskonzepts des Städtedreiecks am Saalebogen REK 2002 werden ausführlich dargestellt, die Frage, ob das REK nach 16 Jahren nicht fortzuschreiben sei, wird aber leider gar nicht aufgeworfen.

Hubert Krawczyk
Mitglied Stadtrat Rudolstadt