In dubio pro reo

Paul

Dieser einfache Satz beinhaltet wohl das wichtigste Prinzip des Rechtstaates – „im Zweifel für den Angeklagten“ – denn er stellt die Präsumtion der Unschuld, die Unschuldsvermutung, dar. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Angeklagte erst einmal als unschuldig anzusehen ist, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Dies ist in vielen Regelwerken indirekt oder direkt verankert, so auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

„Jeder, der wegen einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem er alle für seine Verteidigung notwendigen Garantien gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“

Das Gegenteil dieser Vorgehensweise wäre die Schuldvermutung, die davon ausgeht, dass der Angeklagte als schuldig anzusehen ist, bis seine Unschuld erwiesen ist, wofür gelten würde „in dubio contra reum“.

Nun kann sich jeder überlegen, wie sich diese beiden Herangehensweisen auf die Rechtsprechung auswirken würden. Dabei sollte man leicht zu dem Schluss kommen, dass im Falle der Schuldvermutung die Beweislast auf Seiten des Angeklagten stünde. Dies wäre ein logischer Fehler, es stellt eine Beweislastumkehr dar, da derjenige, der eine Behauptung aufstellt, auch die Beweislast für diese Behauptung tragen muss. Es muss auch hier gelten:

„Was ohne Beleg behauptet werden kann, kann auch ohne Beleg verworfen werden.“ (Hitchens’s Razor)

Von einem logischen Standpunkt aus sollte also die Unschuldsvermutung stets angewandt werden, wenn es um die Verurteilung von Angeklagten geht.

Dieser Prämisse folgend wird de iure in der BRD die Unschuldsvermutung angewandt. Dies mag auf den Ablauf der Prozesse zutreffen, jedoch de facto wird jeder Angeklagte verurteilt. Zuerst von der Gesellschaft und dann gegebenenfalls von den Gerichten. Gerade die Medien folgen meist nicht dem Prinzip der Unschuldsvermutung, doch die Menschen ebenso wenig. Es gibt Anschuldigungen, die die Menschen dazu bringen, den Angeklagten noch vor dem Richterspruch für schuldig zu erklären, dabei wird unter Umständen nicht einmal mehr das wahre Urteil zur Kenntnis genommen.

Diese Art der Schuldvermutung geht oft mit Aussagen wie „Kein Rauch ohne Feuer“ oder „Warum sollte er/sie sich sowas ausdenken?“ einher – was wiederum eine unzulässige Beweislastumkehr darstellt, da der Angeklagte die Aussage des Klägers falsifizieren soll. Dies ist ein argumentum ad ignorantiam (Argument, das an Nichtwissen appelliert), da diese Herangehensweise nicht weiter hinterfragt, ob der Kläger, neben Wahrheit und Gerechtigkeit auch andere Interessen verfolgen könnte.

Die Rechtsprechung wird dabei von einer Entwicklung betroffen, die die Politik schon längst erreicht hat: die weite Verbreitung von Scheinargumenten, die landläufig als Populismus zusammengefasst werden können, namentlich das Argument als Beweisrede für das Volk (argumentum ad populum), von dem der Populismus seinen Namen hat, das Argument als Beweisrede zum Menschen (argumentum ad hominem) und das Angstargument (argumentum ad metum). Wenn in den Medien während eines Prozesses Angst vor dem Angeklagten geschürt wird, indem Schlagzeilen, die a) von einer durchgeführten Verurteilung ausgehen, b) ihn persönlich angreifen und c) der Bevölkerung Angst vor einem Freispruch machen sollen, wie „Keiner ist mehr sicher, wenn dieser Mörder freigelassen wird“ gedruckt werden, dann finden sich dort alle drei argumenta wieder.

Hinzu kommt, dass das Wort „mutmaßlich“, das in der Berichterstattung meist genutzt wird, formell nicht diese genannten Irrtümer beinhaltet, jedoch von den meisten Menschen fehlgedeutet und so in der Konsequenz eine vergleichbare Wirkung erzeugt wird.

In dieser Kombination bewirken also Sensationsdrang, kapitalistische Marktpraktiken und Unkenntnis einen gefährlichen Zustand, der dafür sorgt, dass trotz der vorauszusetzenden Unschuldsvermutung de facto ein unschuldiger Angeklagter als Schuldiger aus einem Prozess herausgehen kann.

Dagegen muss unbedingt vorgegangen werden, zum einem mit Auflagen an die Berichterstattung, die eindeutig herausstellen muss, dass es sich um Unverurteilte, d.h. als unschuldig Anzusehende handelt, zum anderen, indem öffentlichkeitswirksame Multiplikatoren nicht auf eine solche Hexenjagd eingehen und erst mit der Verurteilung ein Statement zu dem Verfahren abgeben. Auch sollte es, ausgenommen in formellen juristischen oder legislativen Belangen, die das Verfahren tangieren, keine öffentlichen Diskussionen über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten geben, da dies de facto eine üble Nachrede ist.

Am Ende sollte jeder, wie eigentlich überall, alle Behauptungen überprüfen, bevor er sie weiterverbreitet und von der Verbreitung von unbewiesenen Schuldzuweisungen absehen. Gerade wir, als politische Akteure müssen uns dieser Verantwortung bewusst sein und sollten deshalb gerade in solchen Belangen vorsichtig sein. Nur weil es in der Zeitung steht, ist es noch nicht wahr – und nur weil jemand angeklagt wurde, ist er noch nicht schuldig.

In dubio pro reo

Dieser einfache Satz beinhaltet wohl das wichtigste Prinzip des Rechtstaates – „im Zweifel für den Angeklagten“ – denn er stellt die Präsumtion der Unschuld, die Unschuldsvermutung, dar. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Angeklagte erst einmal als unschuldig anzusehen ist, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Dies ist in vielen Regelwerken indirekt oder direkt verankert, so auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:

„Jeder, der wegen einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem er alle für seine Verteidigung notwendigen Garantien gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“

Das Gegenteil dieser Vorgehensweise wäre die Schuldvermutung, die davon ausgeht, dass der Angeklagte als schuldig anzusehen ist, bis seine Unschuld erwiesen ist, wofür gelten würde „in dubio contra reum“.

Nun kann sich jeder überlegen, wie sich diese beiden Herangehensweisen auf die Rechtsprechung auswirken würden. Dabei sollte man leicht zu dem Schluss kommen, dass im Falle der Schuldvermutung die Beweislast auf Seiten des Angeklagten stünde. Dies wäre ein logischer Fehler, es stellt eine Beweislastumkehr dar, da derjenige, der eine Behauptung aufstellt, auch die Beweislast für diese Behauptung tragen muss. Es muss auch hier gelten:

„Was ohne Beleg behauptet werden kann, kann auch ohne Beleg verworfen werden.“ (Hitchens’s Razor)

Von einem logischen Standpunkt aus sollte also die Unschuldsvermutung stets angewandt werden, wenn es um die Verurteilung von Angeklagten geht.

Dieser Prämisse folgend wird de iure in der BRD die Unschuldsvermutung angewandt. Dies mag auf den Ablauf der Prozesse zutreffen, jedoch de facto wird jeder Angeklagte verurteilt. Zuerst von der Gesellschaft und dann gegebenenfalls von den Gerichten. Gerade die Medien folgen meist nicht dem Prinzip der Unschuldsvermutung, doch die Menschen ebenso wenig. Es gibt Anschuldigungen, die die Menschen dazu bringen, den Angeklagten noch vor dem Richterspruch für schuldig zu erklären, dabei wird unter Umständen nicht einmal mehr das wahre Urteil zur Kenntnis genommen.

Diese Art der Schuldvermutung geht oft mit Aussagen wie „Kein Rauch ohne Feuer“ oder „Warum sollte er/sie sich sowas ausdenken?“ einher – was wiederum eine unzulässige Beweislastumkehr darstellt, da der Angeklagte die Aussage des Klägers falsifizieren soll. Dies ist ein argumentum ad ignorantiam (Argument, das an Nichtwissen appelliert), da diese Herangehensweise nicht weiter hinterfragt, ob der Kläger, neben Wahrheit und Gerechtigkeit auch andere Interessen verfolgen könnte.

Die Rechtsprechung wird dabei von einer Entwicklung betroffen, die die Politik schon längst erreicht hat: die weite Verbreitung von Scheinargumenten, die landläufig als Populismus zusammengefasst werden können, namentlich das Argument als Beweisrede für das Volk (argumentum ad populum), von dem der Populismus seinen Namen hat, das Argument als Beweisrede zum Menschen (argumentum ad hominem) und das Angstargument (argumentum ad metum). Wenn in den Medien während eines Prozesses Angst vor dem Angeklagten geschürt wird, indem Schlagzeilen, die a) von einer durchgeführten Verurteilung ausgehen, b) ihn persönlich angreifen und c) der Bevölkerung Angst vor einem Freispruch machen sollen, wie „Keiner ist mehr sicher, wenn dieser Mörder freigelassen wird“ gedruckt werden, dann finden sich dort alle drei argumenta wieder.

Hinzu kommt, dass das Wort „mutmaßlich“, das in der Berichterstattung meist genutzt wird, formell nicht diese genannten Irrtümer beinhaltet, jedoch von den meisten Menschen fehlgedeutet und so in der Konsequenz eine vergleichbare Wirkung erzeugt wird.

In dieser Kombination bewirken also Sensationsdrang, kapitalistische Marktpraktiken und Unkenntnis einen gefährlichen Zustand, der dafür sorgt, dass trotz der vorauszusetzenden Unschuldsvermutung de facto ein unschuldiger Angeklagter als Schuldiger aus einem Prozess herausgehen kann.

Dagegen muss unbedingt vorgegangen werden, zum einem mit Auflagen an die Berichterstattung, die eindeutig herausstellen muss, dass es sich um Unverurteilte, d.h. als unschuldig Anzusehende handelt, zum anderen, indem öffentlichkeitswirksame Multiplikatoren nicht auf eine solche Hexenjagd eingehen und erst mit der Verurteilung ein Statement zu dem Verfahren abgeben. Auch sollte es, ausgenommen in formellen juristischen oder legislativen Belangen, die das Verfahren tangieren, keine öffentlichen Diskussionen über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten geben, da dies de facto eine üble Nachrede ist.

Am Ende sollte jeder, wie eigentlich überall, alle Behauptungen überprüfen, bevor er sie weiterverbreitet und von der Verbreitung von unbewiesenen Schuldzuweisungen absehen. Gerade wir, als politische Akteure müssen uns dieser Verantwortung bewusst sein und sollten deshalb gerade in solchen Belangen vorsichtig sein. Nur weil es in der Zeitung steht, ist es noch nicht wahr – und nur weil jemand angeklagt wurde, ist er noch nicht schuldig.