Dramatik vor der Sommerpause

Hubert Krawczyk

Meinen Bericht für den Anstoß über die 26. Sitzung des Kreistages beginne ich einmal vom Ende her. Es wurde kurz vor der Sommerpause noch dramatisch. Würden wir die Tagesordnung bewältigen können? Oder muss die Sitzung geschlossen werden, weil für die Beschlussfähigkeit nicht mehr genügend Kreistagsmitglieder anwesend waren? Herr Koppe, der den abwesenden Kreistagsvorsitzenden Herrn Weder vertrat, flehte die Abgeordneten förmlich an, im Saal zu verbleiben, denn am Ende des öffentlichen Teils waren nur noch 24 von 47 Kreistagsmitgliedern anwesend, die noch einen Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung fassen sollten. Also genau die mindestens notwendige Anzahl dafür. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Anteil unserer Fraktion 33,3 %, denn wir waren vollzählig vertreten. Ein Drittel – das wäre für uns im kommenden Jahr ein super Wahlergebnis.

Zuvor hatte der Kreistag einstimmig einen CDU-Antrag angenommen und damit den Grundsatzbeschluss gefasst, die Linkenmühlenbrücke wieder zu errichten. Der Landrat soll in Abstimmung mit dem Saale-Orla-Kreis planerische und rechtliche Vorbereitungen für den Neubau der Brücke tätigen sowie die Fördermöglichkeiten klären. Unsere Fraktion war erfreut darüber, dass die CDU mit ihrem Antrag den Erwartungen unseres Kreisvorsitzenden Rainer Kräuter gerecht wurde. Denn der verlautbarte auf unserer Internetseite schon im April: „Ich gehe davon aus, dass die Kreistage des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Orla… der Bitte der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft folgen, die Vorbereitungsaktivitäten zum Bau der Brücke fortzuführen…“

Einen fast sensationell zu nennenden Beschluss gab es zum Thema Rettungsleitstelle. Dank eines vom Vorsitzenden der Fraktion „Bürger für den Landkreis“, Herrn Reichl, im Kreisausschuss vorbereiteten Kompromissvorschlags, der auch von der CDU-Fraktion mit getragen wurde, hat der Kreistag eine Blockadehaltung durch eben diese Fraktion beenden können. Die bestand darin, dass dem Landrat partout verwehrt werden sollte, Gespräche mit anderen ostthüringer Landkreisen aufnehmen zu dürfen, falls die Bemühungen um den Erhalt der Saalfelder Leitstelle keinen Erfolg zeitigen sollten. Dass wir hier durchaus besorgt sein müssen, verdeutlichte uns erst wieder ein kürzlich veröffentlichter OTZ-Bericht. Laut diesem empfehle ein vom Ministerium in Auftrag gegebenes Gutachten Thüringen nur noch lediglich eine Rettungsleitstelle je Planungsregion, also insgesamt vier.

Ausführlich wurde über die Stellungnahme des Landrats zu den finanziellen Belastungen für den Landkreis infolge des vorgesehenen Übertritts der Gemeinden Lichte, Piesau und Katzhütte in andere Landkreise diskutiert. Am Ende machte sich der Kreistag die beiden Schreiben Herrn Wolframs an das Innenministerium fast einstimmig zu eigen, in welchen finanzielle Kompensationen für Einnahmeausfälle des Landkreises aus Schlüsselzuweisung, Kreisumlage u.a. gefordert werden. Denn die Ausgaben des Landkreises werden, wie eine Kalkulation ausweist, durch die Übertritte bei weitem nicht in gleichem Maße sinken wie die Einnahmen. Angenommen wurde ein Ergänzungsantrag von Andreas Grünschneder, in welchem er darauf aufmerksam macht, dass in Lichte und Piesau Schulstandort und Sparkassenfiliale stark gefährdet werden.

Ich hatte in der Diskussion zunächst Herrn Wolfram dafür gedankt, dass er dem Vorschlag unserer Fraktion schnell und unbürokratisch gefolgt ist, nicht nur die Beschlussvorlagen, sondern auch die Anlagen dazu ins Ratsinfosystem zu stellen. Sonst würde beispielsweise der Wortlaut der Stellungnahmen des Landkreises zu den Gemeindeübertritten der Öffentlichkeit gar nicht bekannt. Weiter merkte ich u. a. folgendes an: Für mich ist die Feststellung, dass der Landkreis geschwächt würde, allerdings nur eine Facette im freiwilligen Gemeindeneugliederungsprozess. Ich bewerte mit meiner Stimmabgabe auch, ob ich die Entscheidung einer Gemeinde unseres Landkreises, mit einer anderen Gemeinde außerhalb unseres Landkreises zusammenzugehen, als tragfähig ansehe und, ob die Entscheidung eindeutig demokratisch legitimiert ist.

Wie wir nun wissen, ist in Katzhütte ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht worden, das auf die Aufhebung des knappen Gemeinderatsbeschlusses pro Großbreitenbach gerichtet ist. Ich erwarte vom Thüringer Landtag, dass er mit seiner Entscheidung in einem zweiten Neugliederungsgesetz (das erste wurde kürzlich beschlossen und betraf auch den Raum Saalfeld) zu Katzhütte so lange abwartet, bis das Ergebnis des Bürgerbegehrens oder gegebenenfalls eines Bürgerentscheids feststeht.

Zu Lichte und Piesau: Das Verfahren der Thüringer Landesregierung ist in erster Linie darauf gerichtet, Gemeinden zu stärken und nicht, Landkreise zu schwächen. Die Menschen wohnen zuallererst in ihren Gemeinden, dort sind sie zu Hause und, jawohl, sie gehören auch einer übergeordneten Verwaltungseinheit an, die sich dann Landkreis nennt. Ich kann nicht erkennen, dass der Zusammenschluss von Lichte und Piesau mit Neuhaus diesen Gemeinden schaden könnte. Die Fusion widerspricht weder dem Leitbild noch den Leitlinien freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse, die in Erfurt beschlossen wurden. Am demokratischen Zustandekommen der Entscheidungen in Lichte und Piesau gibt es auch nichts zu deuteln.

Mir ist es dabei natürlich nicht egal, welche Folgen daraus der Landkreis zu tragen hat. Deshalb habe ich am vergangenen Sonnabend am Rande einer Veranstaltung unsere Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, Frau Hennig-Wellsow, darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur Gemeindefusionsprämien wohlfeil sein dürfen, sondern dass auch die Folgen für Landkreise kompensiert werden müssen, wenn Gemeinden deren Gebiet verlassen. Ihre Reaktion: Das wird schwierig zu diskutieren. Ein kryptischer Satz, den ich so interpretiere, dass die entscheidenden Schaltstellen für Landkreisfinanzkompensationen nicht in den Ministerien zu finden sind, die von der LINKEN geführt werden.

Zum Schluss wurde ich auf meine alten Tage auch noch unverschämt, als ich den Landrat aufforderte: „Herr Wolfram, schnappen Sie sich unsere im Kreistag vertretenen Landtagsabgeordneten, die Herren Kräuter, Kowalleck und Wirkner, und rücken Sie den Ministern Maier und Taubert auf die Pelle („Minister Taubert“ ist natürlich nicht genderkorrekt – Anm. d. Verf.). Hauen Sie auf den Tisch, damit der Landkreis nicht auf zwei Millionen sitzen bleibt.“