Der runde Tisch war eckig
Im wohltemperierten Löwensaal gab es am Mittwoch (26.06.2019) eine gute Gesprächsrunde. Herr Roschka-Haubold und Herr Adloff hatten Stadträte aller Fraktionen eingeladen, sich über Gebietsreform, Politik und Allgemeines zu unterhalten.
In das Gespräch konnten sich auch die anwesenden Bürger einbringen – im Gegensatz zur Stadtratsarbeit, die sich in den letzten Jahren immer mehr vom "Normalbürger" abgekapselt hat.
Ja, alle sind für die Einbeziehung der Bürger, und sie, die Bürger, bräuchten ja "nur" zu kommen. Das stimmt aber nicht. Wie geht es denn dem "Bürger"? In der Stadtratssitzung 30 Minuten Einwohnerfragestunde, die leider zu wenig genutzt wird. Die entscheidenden Diskussionen sind allerdings in den Ausschüssen. Hier hat der Bürger weder Fragerecht noch die Möglichkeit, sich in die Diskussion einzubringen. Rederecht erhält er nur auf Antrag, und alle anwesenden Stadträte müssen zustimmen. Da reicht einer, der gerade mal keine Lust auf des Volkes Stimme hat, und schon zieht der Bürger enttäuscht von dannen und kommt sicher nicht so bald wieder.
Selbst wenn der Bürger weiß, wo die offiziellen Sitzungsunterlagen auf der Internetseite der Stadt versteckt sind, sind sie doch meist ohne Anlagen. Bei Bauanträgen ist mitunter nicht erkennbar, in welchem Teil der Stadt man sich befindet, und Bebauungspläne liegen für vier Wochen im Rathaus am Stehpult. Das macht dem Bürger richtig Spaß, die fünf bis acht Ordner mit großen Kartenanlagen durchzuarbeiten.
Schlussfolgerung aus der Diskussion am Runden Tisch war, nur Bürger, die einbezogen werden in die Entscheidungen, sind zufrieden und fühlen sich in ihrer so schönen Stadt wohl. Man darf gespannt sein, zu welchen Themen nach dem Sommer wieder zur freien Diskussion eingeladen wird. Themenvorschläge gab es genug.
Hintergrund:
In der Diskussion äußerten Teilnehmer von CDU und Bürger für Rudolstadt, dass die Bürger sich halt Mühe geben sollten, wenn Sie sich kommunal informieren wollen. Sie hätten auch viele Möglichkeiten, in Ausschüssen mitzuarbeiten. Es käme nur kaum jemand.
Dem möchte ich mit diesem Artikel widersprechen. Es wird den Bürgern sehr schwer gemacht, sich kommunal zu informieren, und der Verweis, man könne ja jederzeit mit seinem Stadtrat des Vertrauens sprechen, führt auch nicht immer zum Ziel.
Ich bin vor allem dafür, die jüngeren Bürger dort abzuholen, wo sie sind. Im Netz. So bin ich für eine Internetübertragung der Stadtratssitzungen und gezielte Diskussionsrunden von Stadträten mit Bürgerinitiativen oder interessierten Bürgern zu offenen Problemen. Für mich ist der Übergang zwischen Stadtrat und interessiertem Bürger fließend. Es zählt gegenseitige Achtung, das Bemühen um eine sachliche Diskussion und Lösungen, die möglichst viele Interessen berücksichtigen. Dafür ist die ziemlich starre Geschäftsordnung des Stadtrates zur Zeit nicht immer hilfreich.
Simone Post, Stadträtin Rudolstadt