Sicherheit um jeden Preis? – Freiheit, Kontrolle und die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes

Ronald Hande

Vortrags- und Diskussionsveranstaltung am 18. November 2025 – 17:30 bis 20.30 Uhr im Café Nerly, Marktstraße 6, 99084 Erfurt

Mehr Überwachung, neue Waffen, weitreichende Datenzugriffe – im Zuge der geplanten Novelle des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes (PAG) werden weitreichende Eingriffe in die Freiheitsrechte durch die Regierung vorgeschlagen. Gemeinsam mit Expert:innen wollen wir über die Ausweitung polizeilicher Befugnisse, die Konsequenzen automatisierter Datenauswertung, präventiver Sicherheitsmaßnahmen und Zwangsmitteln diskutieren. Die Veranstaltung startet mit drei Input-Vorträgen, ehe wir mit Vertreter:innen der Thüringer Polizei und der Thüringer Zivilgesellschaft in den Dialog darüber kommen wollen, welche Bedürfnisse und Sorgen es gibt und wie ein Rechtsstaat aussehen sollte, der Freiheit und verfassungsgemäße Grundrechte wirksam und verhältnismäßig schützt. Die Veranstaltung am 18.11. startet mit diesen drei Input Vorträgen:


Palantir und biometrische Gesichtserkennung im Internet - wie KI-Tools unsere Grundrechte gefährden

Ob Gesichtserkennung auf öffentlichen Plätzen, biometrische Abgleiche im Netz, Verhaltenserkennung oder automatisierte Datenanalysen durch Systeme wie Palantir – der Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Polizeiarbeit schreitet rasant voran. Was als Zugewinn an Sicherheit verkauft wird, bedeutet in Wahrheit eine Ausweitung staatlicher Überwachung auf Kosten unserer Grundrechte: Wer einmal in einer polizeilichen Datenbank landet, bleibt oft jahrelang gespeichert – häufig, ohne es zu wissen. Neue Analyse-Tools wie Palantir verknüpfen diese Daten automatisch, bewerten sie und errechnen vermeintlich verdächtige „Muster“. Neben Tools zur Datenanalyse stellen biometrische Technologien, wie Gesichtserkennung im Internet, eine weitere ernstzunehmende Form der Massenüberwachung dar. Simone Ruf zeigt, welche Gefahren mit diesen neuen KI-Befugnissen einhergehen und wo die rechtlichen Grenzen liegen.

Simone Ruf, Juristin, Gesellschaft für Freiheitsrechte GFF


Alles im Blick? - Zwischen Freiheit und Kontrolle: Verfassungsrechtliche Grenzen polizeilicher Überwachungsbefugnisse

Immer mehr Kameras, immer mehr Daten, immer weniger Kontrolle des polizeilichen Datenhungers. Statt auf evidenzbasierte Gesetzgebung zu setzen, wird zur vermeintlichen „Stärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls" und zur „Verhütung von Straftaten“ der Ausbau der polizeilichen Überwachung auch unbescholtener und nicht verdächtiger Menschen vorangetrieben. Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, automatisierte Kennzeichenabfragen und vieles mehr drohen öffentliche Räume in Beobachtungszonen zu verwandeln, mit spürbaren Folgen für Freiheitsrechte aller Bürgerinnen und Bürger. Clemens Arzt ordnet die rechtlichen und gesellschaftlichen Risiken dieser Entwicklung ein und zeigt, warum der Schutz der verfassungsrechtlichen Grundrechte und Menschenrechte gerade im aktuellen Sicherheitsdiskurs wichtiger ist denn je.

Prof. Dr. Clemens Arzt (Gründungsdirektor Forschungsinstitut für öffentliche und private Sicherheit (FÖPS Berlin) und bis 2023 Hochschullehrer für Polizeirecht an der HWR Berlin)


Bis zu 50.000 Volt für den Rechtsstaat? Risiken bei der Ausweitung von Zwangsmitteln / Ein Blick auf Menschenrechte im Polizeialltag

Die Landesregierung strebt an, Elektroschockwaffen ähnlich wie in Rheinland-Pfalz künftig standardmäßig im Streifendienst einzusetzen, angeblich als „mildere Alternative“. Doch Studien zeigen: Taser-Einsätze führen immer wieder auch zu schweren Verletzungen und Todesfällen, während ihr Einsatz eskalative Situationen teilweise verstärken kann. Philipp Krüger spricht über die Gefahren polizeilicher Gewaltanwendung, von Schmerzgriffen über neue Einsatzmittel, über Ausbildung, Kontrolle und internationale Erfahrungen. Er zeigt, warum eine menschenrechtsorientierte Polizeipraxis mehr braucht als neue Geräte, insbesondere Deeskalation, Transparenz, Verantwortung und unabhängige Kontrollmechanismen.

Philipp Krüger (Amnesty International, Themenkoordinationsgruppe Polizei & Menschenrechte)


Der Eintritt ist frei. 

 

Moderation: Viktoria Kamuf